Sonntag, 18. Oktober 2015

Die leichtoxidierte (grüne) Oolong Oolympiade 2014: Underdog Thailand gegen China und Taiwan

Ursprünglich habe ich diesen Beitrag am 2. März 2014 auf dem Blog eines Kollegen veröffentlicht (Beweis).
Da dieser Beitrag dort aber inzwischen nicht mehr verfügbar ist, poste ich ihn hier auf meinem in der Zwischenzeit entstandenen eigenen Blog, denn nach 1,5 Jahren Wartezeit soll endlich auch bald die halboxidierte Oolong Oolympiade folgen!

Herzlich willkommen sehr geehrte Damen und Herren zu unserer Live-Schaltung der heute stattfindenden Oolympischen Spiele von Tea Lake City. Mein Name ist Gülden Kröt, und ich habe die Ehre, Ihnen die drei Spitzensportler vorzustellen, die es bis ins Finale geschafft haben.
 

Da ist zum einen der thailändische Herausforderer mit einem Kampfgewicht von 2 Gramm: #17 Jade Pearls First Flush aus Doi Mae Salong, Provinz Chiang Rai, dem Norden Thailands, nur ein paar Hundert Kilometer südwestlich von Pu'Er, China, beheimatet. Ach, da kommt er gerade! Vielleicht erwischen wir ihn für ein kurzes Interview. ... Mr. Pearls, einen Augenblick bitte, wie fühlen sie sich kurz vor diesem grossen Wettkampf? ... ja, ... ja, ... danke vielmals, und viel Glück wünschen wir ihnen! Er meint, er fühle sich etwas krümelig, und freue sich auf die erste Runde im Teich!

Ebenfalls mit 2 Gramm am Start die beiden Titelverteidiger, Nonpareil Li Shan aus Taiwan und der 7A Jade Tie Guan Yin aus China!

VLNR: Thailand, Taiwan und China - kurz nach der Kampfgewichts-Waage. (man beachte die unterschiedliche Kompaktheit - alle exakt 2.0 Gramm)

Alle drei repräsentieren die eher etwas grünere Linie ihrer grossen Oolong Familien. Nichtsdestotrotz gilt Li Shan praktisch offiziell als Nr. 1 der Oolongs in Taiwan, der Thailänder #17 Jade Pearls First Flush stammt von Pflanzen aus dem (Alishan) Hochland von Taiwan (also etwas niedriger als die Heimat von Li Shan) - es könnte sich aber trotzdem um einen Abkömmling der gleichen Varietät handeln - optimale Vergleichsvoraussetzungen also.

Die Spiele bestehen aus zwei Disziplinen: Turmsprung mit anschliessendem Synchronschwimmen und abschliessendem Nirwana-Drift. Alle mit dem exakt gleichen Gewicht, gleich warmem Wasser und gleich langer Tauchzeit. Danach folgt die neu eingeführte Disziplin des eierlegenden Wollmilchsau-Rodeos, wobei es gilt: Wie viel Spass kriegt man für wie viel Kröten? Oder etwas vegetarischer ausgedrückt: Ohne Moos nix los, entgegengesetzt betrachtet.


Mögen die Spiele beginnen!

Mit einem Kopfsprung stürzt sich Mr. Pearls aus Thailand ins 95° kalte Wasser, einen 150ml grossen Teich, gurgelt ein bisschen, und geht nach 95 Sekunden unter. So weit, so gut. Doch was meinen die Punketrichter zu dem Gezeigten?

Duft: wunderbar würzig, unglaublich lecker

Geschmack: sehr harmonisch, zart weiss-florale Wiesenblümlein, etwas Orchidee

Nachhall: schöner Nachhall, Geschmacksebene Wechsel darin zu Beginn, wird etwas "breiter", grün-floraler, relativ langer, konstanter Nachhall

... so das eindeutige Urteil der Jury!






















Doch nun ist Taiwan an der Reihe!
Mit einem doppelten Rittmeier springt er gekonnt vom Turm ins kühle Nass.
Nach ein paar Crawl-Übungen gleitet auch er ins Nirwana des Vergessens.
Ob das die Punkterichter zu begeistern vermag?

Duft: kaum sattzuriechen, etwas zwischen Grapefruit und Mandarine mit reifen, rot-floral würzigen Noten

Geschmack: etwas leichter, etwas würziger, ein kleines bisschen weniger floral, mehr gelblichere Blüten als weisslichere wie der Konkurrent zuvor

Nachhall: etwas süsslicher, zart rösthaselnussig (aber nicht wie ein nussiger Grüntee Bi Luo Chun, weniger aufdringlich, nicht bohnig, dafür röstig), einen Ebenenwechsel mehr als zuvor, das Florale spielt etwas weniger mit, etwa gleich lang, etwas verspielter

So weit die Jury. 



Es folgt das grosse Zittern. China betritt den Sprungturm.
Ja ist das denn die Möglichkeit, Mr. 7A springt und zieht an einer Fallschirmschnur,
und segelt gemütlich ins Wasser. Betrug, sagen die einen, grosse Kunst, die anderen.
Noch während des Getümmels ist er bereits sang- und klanglos untergegangen.

Die Jury meint:

Duft: betörende grünliche Orchidee

Geschmack: ach, er ist schon sehr gelungen. Orchidee, so, wie man sie sich wünscht. Ansonsten deutlich weniger Wiesenblümlein, nur ganz früh geschlüpfte im frühesten Frühling, etwas "grünlich"-blütig, aber klar nicht vegetabil sondern floral. Geradliniger, weniger verspielt, aber dies auf Top-Niveau. Etwas kühler getrunken (ca. 40-50°) kommt der samtig-cremige Aspekt sehr schön zur Geltung, welcher ansonsten meist nur durch sehr starkes Rösten, oder etwas andersartig durch Milchbedampfung hervorgebracht werden kann.

Nachhall: etwas monotoner als die beiden zuvor, etwa gleichbleibend zum Trinkgeschmack, natürlich etwas gedämpft wie mit "Stöpsel" auf der Trompete, aber sehr gelungen. Für nicht dunkelst fermentierte und geröstete einen langen Nachgeschmack.

Für mich vom Zielgeschmack her klar der "von-langer-Hand-Geplanteste" der drei.



In der zweiten Disziplin, dem eierlegenden Wollmilchsau-Rodeo, besser bekannt unter dem Begriff Preis-/Leistungsverhältnis, hat Thailand die Nase vorn, danach kommt der chinesische Kontrahent, und zuletzt unser taiwanesischer Luxussportler. Bei ihm trifft das Sprichwort am meisten zu: Ohne Moos nix los. Aber auch: Wer hat - der kann! In diesem Sinne.

Auf dem Podest (der kärglichen Meinung des Reporters) stehen entgegen dem Rat seiner Angetrauten alle drei auf dem obersten Platz, ein Fotofinish ohne Foto, und nicht einmal aus Finnland, aber trotzdem saugut! Alle drei Tees sind derart fantastisch und begehrenswert - die zarten Vorteile des einen werden durch die Nachteile des anderen aufgewogen. Oder so ähnlich. Sie machen dem Namen Tee alle Ehre, ansonsten wären sie nie in ihrer Karriere so weit gekommen. Auch wird bei den Tee Olympiaden das Preis-Leistungsverhältnis stark berücksichtigt, so dass der engagierte Sesselsportler auch seine eigenen Schlüsse daraus ziehen kann - aber trotzdem: Im Top-Bereich kann Thailand punkto Geschmack und Raffinesse bereits auf Augenhöhe China und Taiwan begegnen! Prädikat: Bildungslücke geschlossen.

VLNR: Thailand, Taiwan, China

Die drei Athleten nach dem Wettkampf, völlig am Ende, am Boden zerstört.
Da kommt selbst die Rettungssanitäterin zu spät und verwirft die Hände - alle drei werden vereint zu Chilli Kompost. Möge, so Gott will, die bald auf ihnen wachsende Bhut Jolokia Chilli die spektakulären Aromen der drei Spitzensportler in sich weitertragen. (Nachtrag aus dem Oktober 2015: Das Resultat wurde schärfetechnisch der schiere Wahnsinn!)


Bezugsquellen der drei Teilnehmer:

Der thailändische Oolympionike wohnt hier: Teamania

Der taiwanesische Supersportler ist hier anzutreffen: Teavivre

Der chinesische Athlet ist derzeit leider ausverkauft, sein "jüngerer, einfacherer und günstigerer Bruder" ist aber hier aufzufinden: Chenshi China Tee

Anmerkung: Bei den Teilnehmern dieser Oolympiade handelte es sich durchwegs um die Jahrgänge 2013.


Kommentare:

  1. Toller Bericht, Kröti! :)
    Wenn das mal keine zukünftige olympische Disziplin wird...! ;)
  2. Unterhaltsamer Bericht, Güldenes Panzertier!

    Aber vielleicht hättest du statt 3 lieber 5 Oolongs bewertet! Dann hättest du die Teller mit den Infusionen (wie auf dem letzten Bild) in Form der Olympischen Ringe darstellen können - das wär's gewesen...

    Beste Grüße
  3. Sehr geschätzte Tee-Aficionados

    Es freut mich sehr, dass euch mein experimenteller Bericht gefallen hat. Ich wollte unbedingt mal etwas neues machen, mehr Unterhaltung und auch ein kleines bisschen Spass in Tee-Reviews miteinbringen.

    @Stöv: Gute Idee. Wenn wir ehrlich sind, war das ja erst die grüne Oolong Olympiade, es muss fast zwingend die halb oxidierte à la Oriental Beauty und die fast ganz oxidierte à la Da Hong Pao folgen. Da wird dein Vorschlag mit den 5 Teilnehmern und den olympischen Ringen in die Tat umgesetzt! Es ist ja zudem auch nur fair, noch 2 weitere Länder zuzulassen.

    Die Vorbereitungen auf die halboxidierte Oolong Oolympiade finden
    hier statt.

    Mit besten Grüßen
    Törte L.

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